Großstadtmädchen (Weihnachtsgeschichte)

Ich "ergatterte" also das Leben, das ich mir immer so sehnlichst wünschte, seit ich denken konnte, oder vielleicht auch erst später, was für eine Rolle spielt das schon? Ich war ein Großstadtmädchen in voller Blüte, das Klischee schlechthin. Ein verzogenes Gör, das stets verwöhnt wurde, da es ein Einzelkind ist. Ein Mädchen, das allen Trends folgen musste und natürlich die Vogue und andere Fashionmagazine abonniert hatte. Selbstverständlich hatte ich meine Haare blondiert, das Gesicht voller Chanel und Mac, auf mir nur Gucci und Prada. Ich empfinde etwas Pein, wenn ich das so schreibe, doch es entspricht nur der Wahrheit. Ich habe mich mehr wie ein Püppchen gefühlt, als wie ein Kind, das mit Puppen spielt. Ich wurde in dieses Leben geboren und zu diesem Lebensstil erzogen und bevor ich nicht meine Volljährigkeit erreichte, änderte ich nichts daran. Es lag schließlich nicht in meiner Macht. 

Weihnachten war nie etwas besonderes bei uns. Klar, die Geschenke, aber die gab es immer, zu jedem Fest oder sogar zu jeder Jahreszeit, ständig nunmal.
Wir hatten keinen Baum, kaum Deko. Ich wünschte mir ein kleines Vorortleben in einem gemütlichen Häuschen und einem echten Weihnachtsfest. Ich schaute immer aus dem Apartmentfenster Richtung Norden, bis ans Ende der Stadt. Dort nahmen  die Wolkenkratzer ab und viele kleine Grundstücke sammelten sich an. "Da werde ich eines Tages leben", versprach ich mir selbst.

Heute ist es also soweit. Das erste Weihnachten in meinem Vorortshaus. Ich habe einen kleinen Tannenbaum vorm Kamin, an ihm hängen blaue Kugeln mit dickem-rotem-Rentier-Muster. Die Spitze ziert ein Stern. Ich zwirble mit meinen Haaren, die wieder straßenköterblond sind. Ich singe das Lied aus dem Kinderfilm mit der fliegenden Kuh, bin etwas traurig. Ich setze mich auf meine mit bunten Lichterketten beleuchtete Veranda, überall ist Schnee und es ist eisig. Ich bin etwas bedrückt, ich hätte nie gedacht, dass man sich in einem Vorort so verlassen und einsam fühlen kann. Ich war der Annahme, überall seien nette Nachbarn, die mur darauf brannten, Heiligabend mit mir zu feiern. In der Stadt mit meinen Eltern war ich wenigstens nicht allein. Ich rauche eine Zigarette, selbstgedreht, wie es im Vorort üblich ist, und mir wird wärmer. Ich gehe trotzdem hinein. Es ist schon einundzwanzig Uhr und ich erlaube mir, die Geschenke bereits zu öffnen, es würden ohnehin keine Gäste mehr kommen. Ich schaue mich um, und mir fällt auf, dass ich nicht einmal welche habe. Meine Augen beginnen zu tränen, doch ich unterdrücke es. Soetwas lernt man früh als Großstadtmädchen, schließlich darf das Make Up nicht verlaufen. Ich singe wieder, obschon es nun etwas holprig unf kränklich klingt: "Mo-orgen K-Kinder wiiird's was geeben, mo-horgen we-herdet iihr euch freun'.." Wenn Vorstellungen auch nur ein wenig der Realität entsprachen. Ich musste wieder weinen, doch diesmal ließ ich es raus. Das Fest der Liebe also, doch es gab weder Liebe noch Fest. 

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